Wurzelkartierung für geschützte Bäume im städtischen Raum

Abb. 1: Geschützter Baum, betroffen von Baumaßnahme. Foto: Hugenschmidt, Landös

In Schweizer Städten steht heute eine große Zahl von Bäumen unter Schutz. Bei Baumaßnahmen ist der Erhalt des geschützten Baumbestandes zu gewährleisten. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Wurzeln im Bereich geplanter Baugruben zu. Eine Kartierung von Wurzeln zur Beurteilung des Risikos ist in diesem Zusammenhang wünschenswert, war aber bisher mit Eingriffen in den Untergrund verbunden und damit nur ausnahmsweise und lokal begrenzt möglich. In der hier dokumentierten Pilotstudie konnte nachgewiesen werden, dass mittels Georadar eine flächige und zuverlässige Wurzelkartierung im Vorfeld von Baumaßnahmen wirtschaftlich und zuverlässig durchführbar ist. Somit steht ein Instrument zur Verfügung, mit welchem die Wirkung von Baumaßnahmen auf das Wurzelwerk quantifizierbar wird.


Abb. 2: Geschützter Baum betroffen von geplanter Baumaßnahme und möglicher Risikofaktor für Bahnlinie. Foto: Hugenschmidt, Landös

Problemstellung

In Schweizer Städten existiert heute eine große Zahl unter Schutz stehender Bäume. Bauarbeiten im urbanen Raum dringen häufig in deren Wurzelraum ein, insbesondere in Form von Baugruben. Oft ist dann ein wirkungsvoller Baumschutz unerlässlich und vorgeschrieben.

Die Abbildung 1 und 2 zeigen zwei Beispiele. Der Baum in Abbildung 1 ist von bereits im Gange befindlichen Bauarbeiten betroffen und der Baum in Abbildung 2 ist nicht nur den Auswirkungen des geplanten Abbruchs und Neubaus des Gebäudes links im Bild ausgesetzt, sondern es muss zusätzlich sichergestellt werden, dass die direkt an der Grundstücksgrenze verlaufende Bahnlinie der Zürcher S-Bahn (roter Pfeil in Abb. 2) nicht gefährdet wird.

Vor Baumaßnahmen ist es wichtig auszuarbeiten, inwiefern die betroffenen Bäume durch Maßnahmen, insbesondere Baugruben, in Mitleidenschaft gezogen werden. Unterschiedliche Baumarten reagieren unterschiedlich auf Schädigungen im Wurzelbereich. Bisher wird der Wurzelbereich von Bäumen abgeschätzt oder durch Grabungen an wenigen Stellen ermittelt. Dieser Ansatz ist wenig präzise, erfasst die Situation nur stellenweise und stellt bereits einen Eingriff in die Integrität des Baumes dar. Wünschenswert wäre eine zuverlässige und wirtschaftliche Kartierung von Baumwurzeln ohne Eingriffe in den Untergrund zum Wohle geschützter Bäume.

Georadar

Georadar [¹][²] ist ein geophysikalisches Untersuchungsverfahren, bei dem ein elektromagnetischer Impuls mit einer Antenne in der Untergrund abgestrahlt, an Inhomogenitäten wie zum Beispiel Wurzeln reflektiert und mit der Antenne wieder aufgezeichnet wird. Aus geometrischen Überlegungen ergibt sich, dass genau senkrecht verlaufende Wurzeln von der Oberfläche aus nicht abgebildet werden können. Der Frequenzbereich, in dem die Antenne sendet muss auf die jeweilige Fragestellung angepasst werden.

Das Prinzip zeigt die Abbildung 3. Als Ergebnis einer Messung an einem Punkt erhält man eine Aufzeichnung der Signalstärken der reflektierten Signale. Da sich das Signal im Untergrund mit etwa einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, benötigt eine Messung an einem Punkt aus physikalischer Sicht lediglich einige Nanosekunden (10-9 Sek.). Messungen werden meist entlang von Linien durchgeführt, wobei der Abstand zwischen einzelnen Messpunkten auf einige Millimeter reduziert werden kann. Die Abbildung 4 zeigt die Aufzeichnung einer Linie zur Kartierung von Baumwurzeln in der Praxis. Die Antenne (oranger Kasten) wird entlang einer Linie geführt. Das Messrad (roter Pfeil) misst die Distanz und steuert die Anzahl Messungen pro Meter.

Eine Messung auf einem Punkt ergibt eine Signalstärke in Abhängigkeit von der Zeit, die das Signal von der Antenne zum Reflektor und zurück benötigt (Abb. 3).

Abb. 3: Prinzip Georadar mit Antennen (orange) und Wege des Radarsignals (rote Pfeile). Abb.: Hugenschmidt, Landös

Abb. 4: Georadarmessung in der Praxis. Foto: Hugenschmidt, Landös

Abb. 5: Aufzeichnung entlang paralleler Linien zur Generierung eines Datenkubus (l.). Abb.: Hugenschmidt, Landös

Abb. 6: Prinzip Zeitscheibe (r.). Abb.: Hugenschmidt, Landös

Abb. 7: Radardaten aus 60 Zentimeter Tiefe mit Wurzeln (schwarze Linien) und Position des Baumes. Abb.: Hugenschmidt, Landös

Abb. 8: Alle im Tiefenbereich von 0 bis 1 Meter detektierten Wurzeln. Abb.: Hugenschmidt, Landös

Werden zahlreiche parallele Linien aufgezeichnet (blaue Linien in Abb. 5), so steht, nach einer geeigneten Datenverarbeitung, ein Datenkubus zur Verfügung aus dem verschiedene Schnitte dargestellt werden können. Eine häufig gewählte Darstellungsart sind sogenannte Zeitscheiben, bei denen Schnitte mit gleicher Laufzeit des Signals aus dem Datenkubus ausgeschnitten werden.

Das Prinzip zeigt die Abbildung 6. Wird die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Radarsignals im Untergrund als konstant angenommen, was meist der Fall ist, so entspricht eine Zeitscheibe einer Tiefenscheibe, das heißt es werden Ergebnisse aus einer bestimmten Tiefe abgebildet.

Praktische Anwendung des Verfahrens und Ergebnisse

Idealerweise sollte es vor der Messung einige Tage nicht geregnet haben, da dies die Dämpfung des abgestrahlten Signals erhöhen würde. Der Frequenzbereich in dem die Antenne sendet und empfängt ist wählbar und spielt für den Erfolg einer Untersuchung eine zentrale Rolle. Für die Kartierung von Baumwurzeln haben unsere Untersuchungen eine optimale mittlere Antennenfrequenz von 400 MHz ergeben. Anschließend an die Messung werden die Daten verarbeitet und ausgewertet. Dazu stehen heute kommerzielle Softwarepakete zur Verfügung, welche eine große Bandbreite von Bearbeitungsoptionen ermöglichen [³]. Der Aufwand für die hier dokumentierte Untersuchung betrug etwa vier Stunden für die Messung (zwei Personen) und ein bis zwei Tage für Datenverarbeitung und Auswertung (eine Person).

Die Abbildung 7 zeigt einen Ausschnitt aus einem Radardatensatz aus 60 Zentimeter Tiefe auf einer Fläche von 11 x 5,5 Meter. Die Wurzeln sind als schwarze Strukturen deutlich zu erkennen. Nun können die erkennbaren Wurzelpositionen (Wurzelpunkte) im Datensatz markiert und anschließend ausgelesen werden. Ein Wurzelpunkt weist dabei die beiden horizontalen Koordinaten x und y sowie eine Tiefe auf. Die Abbildung 8 zeigt alle im Bereich von der Erdoberfläche bis 1 Meter Tiefe detektierten Wurzelpunkte. Somit werden statistische Auswertungen möglich.

Ein Beispiel einer statistischen Auswertung zeigt die Abbildung 9. Die Darstellung zeigt den prozentualen Anteil der Wurzelpunkte, welche bei einer bis zu einer bestimmten Y-Koordinate reichenden Baugrube entfernt würden. Der Baum befindet sich bei Y = 0 Meter. Würde die Baugrube beispielsweise bis zur Linie y = 3 Meter (rote Linie in Abb. 8) heranreichen, so würden 16 Prozent aller Wurzelpunkte auf der untersuchten Fläche entfernt werden (rote Linien in Abb. 9).

Abb. 9: Anteil Wurzelpunkte, welche bei einer Baugrube entfernt würden. Abb.: Hugenschmidt, Landös

Abb. 10: Messlinien (grau), Baum (braun) und Haus (schwarz). Abb.: Hugenschmidt, Landös

Abb. 11: Zeitscheibe, Tiefe = 22 Zentimeter. Abb.: Hugenschmidt, Landös

Abb. 12: Alle im Tiefenbereich 0–1 Meter detektierten Wurzeln. Abb.: Hugenschmidt, Landös

Bestehende Gebäude können die Ausbildung vom Baumwurzeln beeinflussen. Ein Beispiel dafür zeigt eine in der unmittelbaren Nähe eines Hauses durchgeführte Untersuchung. Die Geometrie der Untersuchung zeigt die Abbildung 10, das Gebäude ist schwarz und die Position des Baumes als brauner Kreis dargestellt. Die Messlinien verlaufen parallel zur X-Richtung.

Eine Zeitscheibe aus einer Tiefe von 22 Zentimeter zeigt die Abbildung 11, die Draufsicht auf alle im Tiefenbereich zwischen 0 bis 1,0 Meter Tiefe detektierten Wurzeln ist in Abbildung 12 dargestellt. Dort zeigt sich deutlich der Einfluss des von x 0 0 Meter bis x = 5,2 m reichenden Gebäudes. Die Wurzeln im Gebäudebereich (li. Teil) reichen deutlich weniger weit als außerhalb (re. Bereich).

Eine Überprüfung der Ergebnisse mittels Grabschlitzen, welche an einem untersuchten Baum durchgeführt wurde (Abb. 13) zeigte, dass fast alle der ausgegrabenen Wurzeln mittels Georadar detektiert wurden, vorausgesetzt die Wurzeln hatten einen Durchmesser von mindestens 9 Millimetern. Die Kartierung dünnerer Wurzeln ist ebenfalls möglich, dafür muss allerdings mit einem höheren Frequenzbereich gearbeitet werden.

Abb. 13: Überprüfung der Ergebnisse mittels Grabschlitzen. Foto: Hugenschmidt, Landös

Fazit

Die Methode wurde an mehreren Bäumen praktisch erprobt und weiterentwickelt. Somit steht nun eine bewährte Vorgehensweise für Messung, Datenverarbeitung und Auswertung zur Verfügung.

Die hier dokumentierte Vorgehensweise bildet Wurzeln mit einem Mindestdurchmesser von etwa 9 Millimeter bis in eine Tiefe von etwas über einem Meter zuverlässig ab. Senkrechte Wurzeln können nicht abgebildet werden.

Der Aufwand für die Durchführung einer Wurzelkartierung beträgt etwa vier Stunden mit zwei Personen für die eigentliche Messung und ein bis zwei Tage für Datenverarbeitung und Auswertung.

Die Frage, ob eine Wurzelkartierung mittels Georadar sinnvoll ist, oder ob eine einfache Abschätzung des Wurzelraums ausreichend ist, muss entsprechend der jeweiligen Situation entschieden werden. Mit diesem Beitrag hoffen wir eine Grundlage für diese Entscheidung geschaffen zu haben.


Dank

Das hier dokumentierte Projekt wurde von Innosuisse - Schweizerische Agentur für Innovationsförderung gefördert (Innosuisse-Beitragsgesuch Nr. 56893.1 INNO-EE).



Literatur

  • [¹] Deutsche Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung (DGZfP) (2008) Merkblatt B10, Merkblatt über das Radarverfahren zur Zerstörungsfreien Prüfung im Bauwesen, February 2008, 2nd Edition.
  • [²] Hugenschmidt J. (2010) Ground penetrating radar for the evaluation of reinforced concrete structures, In: Non-destructive evaluation of reinforced concrete structures, Woodhead Publishing Limited 2010, Chapter 15, edited by C. Maierhofer, H-W Reinhardt and G. Dobmann: 317-333, ISBN 978-1-84569-950-5.
  • [³] Sandmeier K.J. (2020) REFLEXW - User Guide, version 9.5, by Sandmeier Scientific Software, Karlsruhe, Germany.