Streusalz im Winterdienst: Fluch und Segen

Abb. 1: Winter in Hamburg. Foto: Gerhard Doobe

Die grundsätzlichen Folgen des Streusalzes sind seit Jahrzehnten untersucht und bekannt: Für Bäume bedeuten sie Zellschädigung mit vorzeitigem Blattverlust, Nährstoffmangel wegen Bodenverschlämmung, bei höheren Dosen ein oft jahrelanges Siechtum. Es treten aber auch Grundwasserbelastung, Bodenversalzung oder Korrosion an Bauwerken und Kraftfahrzeugen auf, sodass der von Streusalz verursachte volkswirtschaftliche Gesamtschaden kaum abzuschätzen ist.

Wie intensiv der Winterdienst auf öffentlichen Straßen erfolgt, hängt von den jeweiligen Wetterereignissen ab, um beispielsweise die Rutschgefahr wegen Schnee- oder Eisglätte zu senken. Bei extremen Wetterlagen werden von den Stadtreinigungsbetrieben Höchstleistungen im Dreischichtendienst erwartet, überwiegend bei gleichzeitigem Einsatz von Auftaumitteln. In Hamburg und vielen weiteren deutschen Kommunen ist der Einsatz von Tausalz oder tausalzhaltigen Streumitteln jedoch auf Geh- und Radwegen aus ökologischen Gründen untersagt und nur auf Fahrbahnen oder an besonders unfallträchtigen Stellen zulässig. Mit Blick auf den bundesweiten Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur und der damit verbundenen Forderung nach einem intensivierten Winterdienst auch für Radwege verschärft sich die Problematik weiter zu Lasten der Straßenbäume. Bisher noch gar nicht abschätzbar sind die Folgen aus den wasserbaulichen Plänen, bei Starkregenereignissen das Niederschlagswasser von der Straße in Vegetationsflächen oder direkt in die mit Rigolen verbauten Wurzelräume von Straßenbäumen einzuleiten. Vor diesem Hintergrund bekommt ein zurückliegendes Forschungsvorhaben der Freien und Hansestadt Hamburg zum Salzstatus ausgewählten Straßenbäume und Straßenrandböden ¹) neue Aktualität und soll hier noch einmal vorgestellt werden.

Abb. 2: Streumengen. Quelle: SRH; geänderte Grafik

Abb. 3: Mittelwerte und Konfidenzbereiche (95 % – Niveau) der Natrium-Gehalte (2:1-Eluat, mg/kg Trockenmasse (TM)) der beiden Bodenhorizonte zu den verschiedenen Untersuchungsterminen, differenziert für „Salz“( )- und„Null“( )- Standorte. Quelle: Abschlussbericht Streusalzmonitoring Hamburg, 2012

Tab. 1: Witterungsverläufe DWD Station Fuhlsbüttel. Quelle: DWD

Abb. 4: Frühjahrswerte der mittleren Salzbelastung der Straßenabschnitte nach Streustufen differenziert (Natrium im Ammoniumnitratextrakt, mg/kg TM). Quelle: Abschlussbericht

Abb. 5a+b: Natrium- und Chloridgehalte Boden 10 bis 50 cm Tiefe (Einzelbaumuntersuchung). Quelle: Abschlussbericht

Abb. 6: Chloridgehalte in Blättern, abhängig von der Streustufe. Quelle: Abschlussbericht Streusalzmonitoring Hamburg, 2012

Streusalzmonitoring

Die Untersuchungen in Hamburg hatten über einen Zeitraum von fünf Jahren die bekannten Folgen für Vegetation und Boden bestätigt. Die Ergebnisse belegen zudem, dass gerade Salzgaben auf der straßenabgewandten Seite einen erheblichen Anteil der Salzschäden bei Straßenbäumen ausmachen. Vom Fußweg her kann die Salzfracht ungehindert in die Baumscheiben gelangen, während straßenseitig der Bordstein zumindest das salzbelastete Schmelzwasser ableitet.

Im Jahr 2006 hatte die Hamburger Bürgerschaft beschlossen, die bis dahin geltende Begrenzung für den Einsatz von Tausalz auf Straßen mit Buslinienverkehr und auf Bundesstraßen sowie in Einzeleinsätzen an örtlichen Gefahrenpunkten im sonstigen Straßennetz aufzuheben. Die Hamburger Umweltbehörde hatte dagegen erhebliche Bedenken. Deshalb vereinbarten die drei für das Öffentliche Grün, den Bodenschutz und die Abfallwirtschaft zuständigen Abteilungen gemeinsam mit der Stadtreinigung Hamburg ein Monitoring des Tausalzeinsatzes im differenzierten Winterdienst. Der Untersuchungszeitraum wurde auf fünf Jahre festgelegt.

Um Streusalzfolgen aus dem städtischen Winterdienst bewerten zu können, waren die Standorte so gewählt worden, dass zusätzliche Salzfrachten, beispielsweise durch Anwohner, weitgehend ausgeschlossen werden konnten. Ausgenommen wurden daher Straßenabschnitte mit auffallend vielen Grundstückszufahrten oder Einzugsbereiche regelmäßig zu räumender Fußgängerüberwege, wo hohe Tausalzeinträge zu erwarten waren. Auch der Abstand der Bäume und ihrer offenen Bodenflächen zur Fahrbahn und zu Einfahrten spielten eine Rolle. Hauptkriterien für die Auswahl der Vergleichsstandorte (Nullstandorte) waren eine Entfernung von mindestens 10 Meter vom Straßenrand und kein Einfluss durch Winterdienststreumaßnahmen. Das Untersuchungskonzept sah vor, circa 60 ausgewählte Standorte aller Hamburger Bezirke in jeweils zwei Bodenhorizonten zu beproben. Für einen Teil der Standorte wurden die Vitalität der dort vorhandenen Straßenbäume untersucht und ergänzende Blattanalysen auf deren Salzgehalte sowie Nährstoffuntersuchungen im Boden vorgenommen. Potenzielle Salzbelastungen im ersten oberflächennahen Grundwasserleiter wurden anhand der Daten vorhandener Grundwassermessstellen ausgewertet.

Streupraxis der Stadtreinigung Hamburg

Mit insgesamt 3460 Kilometern Räum- und Streustrecke bearbeitete die Stadtreinigung Hamburg im Untersuchungszeitraum etwa 50 Prozent des Straßennetzes in zwei unterschiedlichen Streustufen; 2700 Kilometer in Stufe 1, Hauptverkehrsstraßen und Straßen mit wichtigem Buslinienverkehr, und 760 Kilometer in der nachgeordneten Stufe 2, die erst nach Räumung der prioritären Bereiche angefahren wird. Parallel mussten rund 1550 Busbuchten und 10 500 Fußgängerüberwege je nach Wetterlage auch zeitgleich gesichert werden. Die Gehwege der Stadt sind grundsätzlich von den Anliegern zu räumen beziehungsweise zu streuen; der Einsatz von Streusalz ist dabei verboten. Seit der Wintersaison 2010/11 wurde die Zuständigkeit der Stadtreinigung auch auf anliegerfreie Gehwege, aktuell 660 Kilometer, Bushaltestellen, aktuell 4250, Zuwege zu S- und U-Bahnhaltestellen sowie wichtige Radwege erweitert.

Die Stadtreinigung Hamburg trieb bereits seit mehreren Jahren die technische Verbesserung der Streutechnik voran und hatte neben dem Einsatz von FS 30 an den Streufahrzeugen (FS 30 = Feuchtsalz der Kombination von 70 Prozent NaCl Salz mit 30 Prozent NaCl Lösung beziehungsweise Mg Cl2 Lösung), durch Investition in Glättemeldeanlagen (GMA) kombiniert mit Wärmebildkameras und modernen Streuautomaten an den Streufahrzeugen, den Salzverbrauch pro Einsatz und Quadratmeter reduziert.

Die reinen Mengenangaben für das von Räumfahrzeugen ausgebrachte Streusalz sind hinsichtlich der Gesamtsalzfracht, die ein Straßenrandstandort verkraften muss, nur bedingt aussagefähig. Eine Reihe zusätzlicher Faktoren wie der Witterungsverlauf, die Standorteigenschaften, die Straßenentwässerungssituation, Lage der Baumscheibe und Höhe der Bordsteinkannten, zusätzliche Salzfrachten durch Radweg- und Gehwegreinigung der Anlieger sowie konzentrierende Wirkungen durch Staunässe im Unterboden haben einen entscheiden Einfluss.

Witterungsverlauf und Streumengen

Nach zwei milden Wintern mit sehr hohen Niederschlägen in den ersten Monaten des Jahres folgte ein ebenfalls milder, allerdings vergleichsweise trockenerer Winter in der Streusaison 2008/2009. Die anschließenden strengen Winter 2009/2010 und 2010/2011 waren ebenfalls vergleichsweise trocken, aber wesentlich kälter (Tab. 1 und Abb. 2).

Eine entscheidende Rolle für die in die Straßenrandböden eingetragene Streusalzmenge spielt die Ausgestaltung der Straßenentwässerung. Sobald Streusalz auf die Fahrbahn ausgebracht wird, bildet sich ein Gemisch mit Eis und Schnee. Das gelöste Salz wird mit dem von der Straße abfließenden Schmelzwasser in den Straßenrandbereich befördert, wo es entweder versickert und bis ins Grundwasser gelangt oder über den Vorfluter des Abflusssystems wegtransportiert wird. Ein anderer Teil des Salzes erreicht über Spritzwasser, die sogenannte "Verkehrsgischt", den Straßenrandbereich. Abhängig vom Fahrverhalten der Autofahrer, und hier besonders der Geschwindigkeit, sowie von der Ausformung der Straßenoberfläche, zum Beispiel Mulden mit Pfützenbildung oder Spurrinnen, variiert die belastende Salzmenge. Man unterscheidet direkte Kontaktschäden der Vegetation durch Verspritzen der Salzlösung auf die Pflanze sowie indirekte Schäden durch Bodenversalzung. Auf Standorten ohne Sielanschluss mit direkter Straßenentwässerung in den angrenzenden Grünstreifen hinein sind die höchsten Salzeinträge in den Böden nachweisbar.

Abb. 7: Blattrandnekrose Ahorn. Abschlussbericht Streusalzmonitoring Hamburg, 2012

Abb. 8a+b: Beziehung zwischen Natriumgehalten im Boden und Chloridgehalten in Blättern Quelle: Abschlussbericht Streusalzmonitoring Hamburg, 2012

Abb. 9: Baumschäden in Streustufe 1, nach Baumgattung differenziert. Quelle: Abschlussbericht Streusalzmonitoring Hamburg, 2012

Salzbelastung der Straßenrandböden

Natrium im Eluat oder Ammoniumnitrat-Extrakt sind die aussagefähigsten Indikatoren zum Nachweis der Streusalzbelastung im Boden. Die elektrische Leitfähigkeit, eine konventionelle Kenngröße für den Salzgehalt von Böden, ist für die spezielle Quantifizierung von Streusalz dagegen nur ein bedingt geeigneter Parameter, denn die elektrische Leitfähigkeit spiegelt neben den Tausalzzeigern Natrium und Chlorid auch die Anteile der löslichen Ionen zum Beispiel aus Carbonaten, Sulfaten, unter anderem Gips oder Nitraten wider.

In Abbildung 3 sind die Salzgehalte der untersuchten Straßenabschnitte im Jahresverlauf den Salzgehalten der Vergleichsstandorte ohne Salzstreuung gegenübergestellt.

Seit dem ersten Untersuchungstermin im Herbst 2006 sinkt der Natriumgehalt mehr oder weniger kontinuierlich ab, bis er nach zwei Jahren, im Herbst 2008, 24 Milligramm pro Kilogramm Trockenmasse (TM) erreicht und damit nur noch geringfügig über dem "Null"-Level liegt. Bereits nach einem Jahr seit Beginn der Untersuchung ist der Wert im ersten Horizont von 60 auf 28 Milligramm pro Kilogramm TM gesunken, so dass hieraus grob geschätzt eine ungefähre Halbwertszeit des Natrium-Verbleibs im Boden von weniger als einem Jahr abgeleitet werden kann. Nach den vergleichsweise strengen Wintern 2008/09 bis 2010/11 ist der Natriumgehalt auf 55 Milligramm pro Kilogramm TM, 85 beziehungsweise 123 Milligramm pro Kilogramm TM angestiegen. Zwischenzeitlich, jeweils zu den Herbst-Terminen, ist infolge der Auswaschung mit dem Niederschlagswasser ein deutlicher Abfall zu verzeichnen.

In Abbildung 4 wird die Salzbelastung (Natriumgehalt im Ammoniumnitratextrakt, mg/kg TM) nach Streustufen differenziert für den fünfjährigen Untersuchungszeitraum dargestellt. Es wurden alle Proben der Frühjahrsprobenahmen in die Ergebnisdarstellung einbezogen. Die Mediane der Vergleichsstandorte variieren von 17,5 Milligramm pro Kilogramm bis 11,8 Milligramm pro Kilogramm im Oberboden. Auf den Standorten der Streustufe 1 verringert sich der Salzgehalt zunächst in den nassen milden Wintern annähernd auf das Niveau der Nullstandorte. In den Folgejahren nimmt die Salzbelastung von 35 Milligramm pro Kilogramm im Jahr 2009 über 105 Milligramm pro Kilogramm in 2010 auf 141 Milligramm pro Kilogramm im Frühjahr 2011 in den Oberböden zu. In der Streustufe 2 zeigt sich ein ähnlicher Verlauf wie in der Streustufe 1 auf geringerem Niveau. Im Frühjahr 2011 werden 100,7 Milligramm pro Kilogramm im Oberboden erreicht.

Bodenproben an Einzelbäumen

Die Ergebnisse der Einzelbaum-Beprobungen werden für Natrium und Chlorid in Abbildung 5a dargestellt. Die Mediane der Natriumgehalte der Nullstandorte variieren im Untersuchungszeitraum auf geringem Niveau zwischen 14 und 22 Milligramm pro Kilogramm Boden. Sie entsprechen einer geringen Natriumversorgung bezogen auf Vergleichswerte aus der Landwirtschaft.

Auf den Standorten der Streustufe 1 ist nach leicht erhöhten Natriumgehalten in den Frühjahren der Jahre 2008 und 2009 ein deutlicher Anstieg nach dem harten Winter 2010 nachzuweisen, der sich nach dem darauffolgenden ebenfalls harten Winter bis zur Versorgungsstufe "sehr hoch" im Frühjahr 2011 fortsetzt.

Auf den Standorten der Streustufe 2 ist in den Jahren 2008, 2009 und 2010 ein gleichmäßiger Verbleib der Natriumgehalte im mittleren Versorgungsbereich zu beobachten. Der steile Anstieg der Natriumgehalte in der Streustufe 2 bis zur Versorgungsklasse "sehr hoch" erfolgt hier im Gegensatz zur Streustufe 1 erst ein Jahr später im Frühjahr 2011. Die Natriumgehalte sind um Faktor 3 gegenüber dem Vorjahr erhöht. Der Anstieg der Natriumgehalte auch auf 'Stufe 2 Standorten' im Winter 2010/2011 hängt mit der stärkeren Salzstreuung in der Streustufe 2 zusammen, als Folge der teilweise harschen Kritik am Winterdienst des Vorjahres durch die Öffentlichkeit und Medien.

Die Chloridgehalte verhalten sich analog den Natriumgehalten auf erheblich geringerem Niveau (Abb. 5b). Die Nullstandorte zeigen gleichbleibend die geringsten Mengen. Die Standorte der Streustufe 1 zeigen höhere Werte als in der Standortgruppe der Streustufe 2. Ein Anstieg der Chloridgehalte ist erst mit dem Eintreten der harten Winter ab 2010 beobachtbar, wobei der deutliche Anstieg der Chloridgehalte in der Streustufe 2 auch hier, wie beim Natrium, um ein Jahr verzögert gegenüber der Streustufe 1 auftritt. Der Median der Chloridbelastung ist jedoch in allen Standorttypengruppen im Größenbereich unbelasteter Standorte. Die Ursache liegt in der geringeren Bindungsstärke der Chloridionen zu den Oberflächen der Bodenteilchen im Vergleich zu den Natriumionen, weshalb das Chlorid schneller mit dem Sickerwasserstrom aus dem Oberbodenbereich ausgewaschen, aber auch in hohem Maße über die Wurzeln aufgenommen wird, sich in den Zellstrukturen anreichert und die Bäume langfristig schädigt.

Salzbelastungen in Blättern

In den Blättern ist im Unterschied zum Boden der Chloridgehalt als Indikator für Salzbelastungen ausschlaggebend. Die Blattgehalte zeigen bei Acer und Tilia im Sommer 2010 die höchsten Chloridgehalte, wobei die Chloridgehalte der Acer die der Tilia noch einmal um den Faktor 2 übertrafen (Abb. 6). Auf den unbelasteten Vergleichsstandorten weist der Ahorn dagegen geringere Werte als die Linde auf.

Acer reagiert also erheblich empfindlicher als Tilia auf eine Salzbelastung im Boden, nimmt dabei verstärkt das Chlorid auf, und zeigt bei erhöhten Werten im Wurzelraum generell auch höhere Chloridgehalte in den Blättern. Diese ausgeprägte Salzempfindlichkeit bei Acer (Abb. 7) wird seit langem grünplanerisch berücksichtigt, weshalb Bäume dieser Gattung eher auf schwächer salzbelasteten Standorten Hamburgs zu finden sind.

Die Abbildung 8 bestätigt die unterschiedliche Sensibilität der Baumgattungen Acer und Tilia bezüglich der Salzaufnahme und Akkumulation von Chloridionen in den Blättern. Die Acer nahmen schon bei geringen Salzbelastungen im Boden vergleichsweise große Mengen an Chlorid in die Blätter auf. Bei etwa der Hälfte der Probenstandorte ist die Streusalzbelastung an den Blattrandnekrosen zu erkennen. Genau bei diesen Proben sind auch die Chloridgehalte deutlich erhöht. Jedoch ist nicht in jedem Fall der Zusammenhang - je höher der Chloridgehalt, desto stärker die Nekrose - gegeben. Offensichtlich spielen hier noch weitere Parameter eine Rolle, wie die Ausgewogenheit der Gesamtnährstoffversorgung, die Bodenluft und die Wasserversorgung.

Abb. 10 a: Straße im Außenbereich. Foto: Thomas Däumling

Abb. 10 b: Straße im Außenbereich. Foto: Thomas Däumling

Abb. 11 a: Mittelstreifen. Foto: Thomas Däumling

Abb. 11 b: Mittelstreifen. Foto: Thomas Däumling

Abb. 12 a: Seitlicher Straßenrand. Foto: Thomas Däumling

Abb. 12 b: Seitlicher Straßenrand. Foto: Thomas Däumling

Abb. 13 a: Sonderstandort. Foto: Thomas Däumling

Abb. 13 b: Sonderstandort. Foto: Thomas Däumling

Vegetationsschäden im Straßenbegleitgrün

Im Rahmen der Untersuchungen wurden insgesamt 732 Straßenbäume an 41 Standorten für das Streusalzmonitoring ausgewählt und auf potenzielle Streusalzschäden - primär anhand von Blattschäden beziehungsweise Blattrandnekrosen - überprüft. Die für die dauerhafte Überprüfung festgelegten Bäume verteilen sich auf die Gattungen Acer (290 Bäume) und Tilia (442 Bäume) und wurden dann regelmäßig zum Blattaustrieb Anfang Mai, zum Johannistrieb Ende Juni, Mitte August und zum Blattfall im Oktober auf potenzielle Streusalzschäden kontrolliert.

Die Acer reagierten auch nach visueller Einschätzung wesentlich stärker auf Streusalz als die Tilia und unterstrichen damit die Ergebnisse der Blattanalysen (Abb. 9). Überwiegend Acer der Altersklasse 20 bis 60 Jahre waren betroffen. Gleiche Tendenzen in den altersabhängigen Schadbildern - jedoch in geringerem Umfang - lagen bei Tilia vor.

Grundwassermessstellen

Um mögliche Grundwasserbelastungen einschätzen zu können, wurden Grundwassermessstellen in näherer Umgebung von Straßen mit Streueinsatz im Vergleich zu anderen Grundwasssermessstellen ausgewertet. In den oberflächennahen Geest-Grundwasserkörpern in Hamburg lassen sich Salzeinträge aus der Auftausalzanwendung während des Winters nachweisen. Diese manifestieren sich in den oberhalb der natürlichen Hintergrundwerte gemessenen Chlorid-Konzentrationen des Grundwassers an den Messstellen. Die gemessenen erhöhten Chlorid-Konzentrationen bewegen sich aber im Wesentlichen unterhalb des bundesweit geltenden Schwellenwertes nach EG-Wasserrahmenrichtlinie (250 mg/L), der sich an den Erfordernissen für Trinkwasser orientiert.

Klassifizierung der Standorte

Die Einzelstandorte zeigten eine durchaus unterschiedlich charakteristische Betroffenheit bezüglich der Salzbelastung.

Straßen im Außenbereich ohne Sielanschluss, gewölbt, mit tiefem oder keinem Bordstein und randlicher Grabenentwässerung (Abb. 10 a+b): Höchste Salzbelastungen aufgrund fehlender Kanalisation und erhöhter Salzgischt.

Mittelstreifen (Abb. 11 a+b): Mäßige Salzbelastung, da in der Regel Bordsteine vorhanden sind und die Straßenentwässerung vom Mittelstreifen weg erfolgt. Es entfielen auch die zusätzlichen Salzfrachten aus der Fußweg- oder Radwegreinigung. Insbesondere Ahorne zeigten hier trotzdem starke Blattrandnekrosen.

Seitliche Straßenränder (Abb. 12 a+b): Straßenränder hatten gegenüber den Mittelstreifen höhere Salzbelastungen, da die Fahrbahn häufig durch leichte Neigung zum rechten Rand in Fahrtrichtung entwässert wird. Salzgischt befördernde Spurrillen befinden sich auf mehrspurigen Straßen meist am rechten Fahrbahnrand sehr viel stärker ausgeprägt, häufig verstärkt durch zusätzliche Salzfrachten aus der Fußweg- oder Radwegreinigung.

Sonderstandorte (Abb. 13 a+b): Hier wurden Standorte zusammengefasst, die nur isoliert betrachtet werden konnten, da sie gleichzeitig durch ein breites Spektrum salzverstärkender Einflüsse geprägt waren wie: Individuelle Wasserversorgung am Standort, Staunässe im Untergrund, Pfützenbildung mit verstärkter Salzgischt, Spurrinnen, Fahrbahnwölbung beziehungsweise Neigung zum Straßenrand, Radweg- und Gehwegsreinigung, Grundstückseinfahrten, Treppenaufgänge, Bushaltestellen, Verkehrsampeln und Fußgängerüberwege, Verstopfte oder defekte Kanalisation. Eine Zuordnung der Messwerte zum städtischen Winterdienst wäre nicht möglich.

Bewertung

Der deutliche Einfluss des Streumitteleinsatzes auf den Boden und die Vegetation konnte in den Hamburger Untersuchungen belegt werden. In den harten Wintern 2009/10 und 2010/11 führte der flächendeckende Streusalzeinsatz zu einer generellen Chloridbelastung in den Bäumen und zu einer Natriumanreicherung in den Straßenrandböden bei gleichzeitiger Anhebung des Chloridgehaltes im Sickerwasser. Anders als die Bodendaten waren die Vegetationsschäden im Kronenbild aber sehr unterschiedlich ausgeprägt, obwohl möglichst artenreine Standorte ausgewählt wurden, um Schwankungen aus unterschiedlich empfindlichen Arten zu vermindern. Aber auch artenreine Alleen und Baumreihen sind über längere Zeiträume hinweg durchaus mit unterschiedlichen Sorten einer Art ergänzt worden, die sich in ihrer Salztoleranz unterscheiden können. Über diese Streuung hinaus bestätigen die uneinheitlich auftretenden Vegetationsschäden wie auch die baumbiologischen Ergebnisse insgesamt, dass der Einsatz von Tausalz auf Fußwegen ein ganz zentrales Problem für Baum und Boden darstellt. Quelle sind hier private Anwender, aber auch Reinigungsdienste, die unter Umständen sogar im Auftrag der Stadt arbeiten.

Die Zutrittsmöglichkeiten des Streusalzes zu Baumscheibe und Wurzelraum können sich straßenseitig und fußwegseitig völlig unterscheiden. Während die Straße überwiegend versiegelt und mit einer mehr oder weniger hohen Bordsteinkante vom Baumstandort abgegrenzt ist, liegt die Baumscheibe auf gleichem Niveau mit dem zu räumenden Fußweg. Sie ist im Interesse des Baumes meist offengehalten, um die Luft- und Wasserversorgung der Wurzeln zu verbessern. Die Baumscheibe stellt damit eine optimale Eintrittspforte auch für das gelöste Tausalz dar. Dieser Effekt verstärkt sich noch, wenn der salzbelastete Schnee auf der Baumscheibe zusammengeschoben wird, denn aus den direkt auf den Baumscheiben abschmelzenden Halden wird unter Umständen über Wochen kontinuierlich Salz in den Wurzelraum abgegeben (Abb. 14). In dieser Untersuchung nicht geprüft, aber sicher unstrittig, ist die unregelmäßige und oft überhöhte Streusalzmenge, die je Quadratmeter auf Fußwegen, Zebrastreifen oder an Bushaltestellen ausgebracht wird, weil hier in aller Regel mit Eimer und Schaufel, aber ohne Dosierungshilfen gestreut wird (Abb. 15).

Abb. 14: Am Stamm von Bäumen zusammengeschobener Schnee (a), der bis in den Frühling hinein zu einer anhaltenden Tausalzquelle werden kann (b). Foto: Gerhard Doobe

Abb. 15: Winterdienst an Bushaltestellen. Foto: Gerhard Doobe

Abb. 16 a: Weißräumung mit festgefahrener Schneedecke. Foto: Gerhard Doobe

Abb. 16 b: Salzeinsatz ohne Schneeräumung. Foto: Gerhard Doobe

Abb. 17: Verbotener Salzeinsatz auf Fußweg. Selbst hier würde vorheriges Schneeräumen das Ergebnis verbessern, den Salzeinsatz senken und die Salzfracht mit dem Schmelzwasser in die Baumscheiben reduzieren. Foto: Gerhard Doobe

Schlussfolgerungen

Das Konzept "differenzierter Winterdienst", der eine abgestufte Verwendung von Streustoffen nach Straßen- und Wetterlage in Hinblick auf Salzstreuung, Splittstreuung und Nullstreuung vorsieht, kann die Grundbelastung erheblich senken und erscheint als ein geeignetes Instrument zur Optimierung des Winterdienstes. Dabei muss das Ziel sein, die Verwendung von Auftausalzen auf das notwendige Mindestmaß zu begrenzen. Dies fordern auch die Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) und die Vereinigung Schweizerischer Stadtgärtnereien und Gartenbauämter (VSSG) in einem gemeinsamen Positionspapier ²).

Die Streusalzschäden waren in Hamburg nicht so hoch, wie zunächst befürchtet, und lagen deutlich unter den Ergebnissen früherer Untersuchungen. Zudem waren die stärksten Vitalitätsverluste der Bäume nicht abschnittweise, sondern meist nur einzelbaumbezogen beobachtet worden. Daraus kann geschlossen werden, dass der flächendeckende städtische Streumitteleinsatz auf Straßen in harten Wintern zwar eine hohe Grundbelastung mit Salz in den Bäumen und Böden verursacht, dass in Hamburg akut toxische Belastungen aber erst auftreten, wenn ein zusätzlicher Salzinput vom Gehwegbereich her oder durch andere salzkonzentrierende Einflüsse hinzukommen. Sie resultieren zum Beispiel aus unkontrollierten Salzgaben der privaten oder gewerblichen Gehwegreinigung, aber auch aus Wasserpfützen und Spurrinnen, die punktuell mit dem Verkehr Straßenbäume mit "Salzgischt" überziehen. Abgesackte Bordsteine, Straßenwölbungen und mangelhafte oder defekte Straßenentwässerung sind weitere Gründe. In vielen Fällen könnten hier bereits einfache, verkehrstechnische Regelungen wie eine Geschwindigkeitsbegrenzung Erfolge zeigen.

Das Anpassen der Streudichte an die aktuellen Witterungs- und Straßenverhältnisse ist ein bedeutender Lösungsbeitrag und am leichtesten umzusetzen. Schon jetzt könnte mit Investitionen in Glättemeldeanlagen kombiniert mit Wärmebildkameras und modernen Streuautomaten an den Streufahrzeugen der Salzverbrauch pro Einsatz und Quadratmeter minimiert werden. Die technische Weiterentwicklung muss in diesem Punkt intensiv gefördert werden.

Das vollständige Räumen von Schnee und Eis vor dem Streugang (Schwarzräumung) sollte vielerorts konsequenter betrieben werden. Das Verfahren ist zeit- und kostenintensiv, verringert den Salzeinsatz aber erheblich. Auch die Weißräumung, bei der Neuschnee zur Seite geschoben und der restliche Schnee zu einer festen Decke festgefahren wird, ist bei entsprechenden Wetterlagen von Vorteil gegenüber Schneematsch-Salz-Gemisch (Abb. 16a+b) und erfordert lediglich eine angepasste Fahrweise.

Das Streusalzverbot bei der Räumung von Gehwegen wird vielerorts nicht eingehalten (Abb. 17). Angesichts der nachgewiesenen negativen Einflüsse von Streusalz sind Bestrebungen zur Lockerung der gesetzlichen Regelungen des Salzverbots im Gehwegbereich zu verneinen. Dagegen senkt der Einsatz von Splitt und Sand auf Gehwegen die Streusalzbelastung angrenzender Grünstreifen erheblich. Im Einzelfall kann die Verwendung abstumpfender Streumittel auch auf Radwegen und im Straßenbereich ökologisch sinnvoll sein, wenn wertvolle Baumbestände geschützt werden sollen.

In bundesweiter Zusammenarbeit von Städten testet der Arbeitskreis-Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz die Verwendbarkeit von Bäumen in Stadt- und Siedlungsräumen unter Berücksichtigung einschränkender Faktoren. So können auch Baumarten und Sorten herausgefunden werden, die empfindlich auf Streusalz reagieren, um sie an den neuralgischen Stellen ggf. nicht mehr zu verwenden. Die GALK-Empfehlungsliste für Straßenbäume stützt sich unter anderem auf langjährige, über das Bundesgebiet verteilte Versuchspflanzungen mit entsprechend belastbaren Erkenntnissen.³)

Die intensivere Pflege der Bäume am Straßenstandort ist mit hohen Kosten verbunden. Einflüsse, die Gesundheit und Vitalität der Bäume beeinträchtigen, müssen also auch aus wirtschaftlichen Gründen auf ein Minimum reduziert, im besten Fall ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Vorstoß der Siedlungswasserwirtschaft, Straßenwasser inkl. der winterlichen Salzfrachten direkt in baumbestandene Mulden oder in sogenannte "Baum-Rigolen" einzuleiten, völlig indiskutabel.

Letztlich sind aber die Städte und Gemeinden, die Stadt- und Grünplanung gefordert, dies alles bereits bei Straßenneu- und -umbau, der Ausgestaltung der Pflanzstandorte und der Pflanzenwahl konsequent zu berücksichtigen sowie den Winterdienst entsprechend auszurichten. Bäume können ihre wachsende Bedeutung als Klimaregulativ nur erfüllen, wenn sie im Rahmen von Planung und Erhalt in ihren eigenen biologischen Ansprüchen ernst genommen werden.

Literatur

1) Däumling, Th.; Oechtering, E.; Meyer-Spasche, H.; Lichtfuss, R.; Doobe, G.; 2012: Streusalzmonitoring 2007-2011. Bericht, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt; Bodenschutz, Altlasten, Stadtbaummanagement; Freie und Hansestadt Hamburg (Hrsg.) www.hamburg.de/boden/3904616/streusalzmonitoring/

2) Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz; 2022: Positionspapier Einsatz von Streusalz - Konsequenzen für Straßenbäume

3) Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz; 2021: GALK-Straßenbaumliste und -Straßenbaumtest als Online-Version im GALK-Internetportal. galk.de/arbeitskreise/stadtbaeume/themenuebersicht/strassenbaumliste

www.strassenbaumliste.galk.de